ETF-Wissen

Was bedeutet ESG bei ETFs? Leicht verständlich erklärt

Was bedeutet ESG bei ETFs

Die Namen von ETFs waren schon immer etwas kryptisch. Als ich anfing, mich über nachhaltige Investments zu informieren, kam bei mir schnell die Frage auf, was bedeutet eigentlich dieses ESG bei ETFs? Es stellte sich heraus, dass die Antwort darauf eine entscheidende Rolle spielt, wenn es ums nachhaltige Investieren geht.

ESG steht für Environmental (Umwelt), Social (soziale Aspekte) und Corporate Governance (Unternehmensführung) und es handelt sich dabei um Kriterien, die dazu verwendet werden, um die Nachhaltigkeit von Unternehmen oder Ländern zu bewerten. Dies dient unter anderem der Zusammenstellung von nachhaltigen ETFs.

Die Bezeichnung ESG fungiert wie eine Art Gütesiegel für Nachhaltigkeit, was aber im Einzelnen dahinter steckt, ist nicht einheitlich definiert. Da mir immer wichtig war, nicht einfach in irgendeinen ETF zu investieren, der womöglich gar nicht meinen Wertvorstellungen entspricht, habe ich mir das Ganze etwas genauer angeschaut.

Was bedeutet ESG für einen ETF-Investor?

Was bedeutet ESG für einen ETF-Investor

Wie viel Nachhaltigkeit steckt in so einem ETF? Da gibt es leider keine allgemeingültige Antwort. Es kann durchaus sein, dass in dem einem nachhaltigen ETF die Firma A enthalten ist, während sie in einem anderen ausgeschlossen ist. Bei Firma B kann es genau umgekehrt sein. Das liegt einfach daran, dass die unterschiedlichen ETFs verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien verfolgen.

Übertragen auf ein Alltagsbeispiel hieße das, dass sich die Leute zwar einig sind, dass der Geschmack und der Preis eines Apfels wichtige Entscheidungskriterien sind, die Anzahl der Kerne hingegen nicht. Aber welchen Preis jemand akzeptiert und welchen Geschmack er sich wünscht, kann unterschiedlich sein.

ESG-Kriterien sind also nur der Rahmen, sprich die Bewertungsgrundlage, anhand derer die Firmen gut oder schlecht abschneiden können. Wie genau daraus ein Urteil gestrickt wird, ist erst durch die ESG-Strategie festgelegt.

In diesem Beitrag beschränke ich mich übrigens auf die ESG-Bewertung von Unternehmen. Was ESG bei Anleihen-ETFs bedeutet, darüber mehr in einem anderen Post.

Wissens-Schnipsel:

Die Strategie, bzw. die Auswahl der Unternehmen in einem nachhaltigen ETF wird übrigens auf Ebene des zugrundeliegenden Index festgelegt. Ein ETF ist immer nur eine Abbildung eines Index.

Damit zumindest die Grundlage einheitlich ist und nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden, hat die Europäische Kommission übrigens Anfang 2020 einheitliche ESG-Kriterien veröffentlicht, die hoffentlich die Vergleichbarkeit solcher Finanzprodukte weiter verbessern (Link zum Report).

Welche ESG-Strategie passt zu mir?

Ich muss nun also einen ETF wählen, sprich eine ESG-Strategie. Aber wie funktionieren sowas überhaupt?

Man kann sich das ganze wie ein hintereinander geschaltetes Filtersystem vorstellen. Vorne startet man mit allen Unternehmen des sogenannten Mutterindex, also z. B. dem MSCI World, und am Ende bleibt nur noch ein kleiner Teil übrig. Wer patzt, fliegt raus.

Das hat anfangs eine Weile gebraucht, bis ich einen Überblick über das Wirrwarr hatte. Aber am Ende konnte ich für mich recht klar drei Filter unterscheiden.

ESG-Strategien und Filterkriterien
ESG-Strategien und Filterkriterien
Filter Nr. 1: Kontroversen

Beim ersten Filter handelt es sich um kontroverse Geschäftspraktiken. Das kann zum Einen der Ausschluss einer ganzen Branche sein oder aber bestimmter Produkte, die absolut nicht akzeptabel sind, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

Prominente Beispiele wären hier der Dow Jones Sustainability World Enlarged Index ex Alcohol, Tobacco, Gambling, Armaments & Firearms and Adult Entertainment Index, der gleich mehrere Branchen kategorisch ausschließt. Viele Indizes verzichten generell auf die Beteiligung von kontroversen Waffen (z. B. die „Ex controversial weapons“-Reihe von MSCI). Wenn es um Landminen und chemische Waffen geht, sind die Ausschlusskriterien auch besonders streng, da fällt sogar das Catering für Waffenproduzenten darunter.

Es liegt in der Natur der Sache, dass hier kein Vergleich mit anderen Unternehmen stattfindet, so unter dem Motto, der produziert aber viel schlimmere Waffen. Die Bewertung ist immer absolut.

Filter Nr. 2: Einzelfaktoren

In einem nächsten Schritt werden Unternehmen nach bestimmten Einzelkriterien bewertet, die je nach Gesamtstrategie als wichtig angesehen werden. Hier gibt es drei Möglichkeiten, wie die Kriterien umgesetzt werden.

Erstens können bestimmte Grenzwerte absolut festgelegt werden, das sind z. B. Umsatzgrenzen in unerwünschten Geschäftsbereichen (z. B. mehr als 50% Umsatz mit alkoholischen Getränken). Das zweite sind Kennzahlen, die bei den unterschiedlichen Unternehmen verglichen werden.

Es gibt zum Beispiel „Low carbon“-Indizes von MSCI, in denen es eine Rolle spielt, wie viel CO2 eine Firma ausstößt und wie groß ihr Besitz an fossilen Brennstoffreserven ist. Hier werden z. B. die 20% der „schlechtesten“ Unternehmen, sprich der mit dem höchsten Ausstoß, aus dem Index ausgeschlossen.

Solche Vergleiche können entweder mit allen Unternehmen durchgeführt werden oder es wird jede Branche für sich betrachtet. Dieser dritte Ansatz nennt sich „Best-in-class“ und ist manchmal auch Ziel von Kritik. Denn das „umweltfreundlichste“ Kohlekraftwerk wird noch immer ein Vielfaches an CO2 ausstoßen, wie es ein Softwareunternehmen tut.

Es gibt aber auch gute Gründe, die für einen Best-in-class-Ansatz sprechen. Mehr darüber findest du in diesem Artikel.

Filter Nr. 3: ESG-Rating

Der letzte Filter basiert auf einer Art Schulnoten-System. Bei diesem Rating werden alle Kriterien, die das ESG-Spektrum hergibt, in Betracht gezogen. Das sind viele Duzend Aspekte und Kennzahlen, z. B. Klimawandel im Bereich Umwelt, Menschenrechte im Bereich Soziales und der Umgang mit Mitarbeitern im Bereich Governance.

Am Ende erhält ein Unternehmen dann eine Gesamtwertung, die von AAA bis CCC reicht.

  • AAA, AA: Leader (führend)
  • A, BBB, BB: Average (durchschnittlich)
  • B, CCC: Laggard (Nachzügler)

Je nach Index werden z. B. die besten 50% oder sogar nur die besten 25% der Unternehmen in den Index aufgenommen. Das kommt ganz drauf an, wie wie ähnlich er dem Mutterindex bleiben soll. Je mehr Unternehmen aus dem Index verbannt werden, desto mehr leidet natürlich auch die Diversifikation. Es ist also wirklich wichtig zu wissen, was genau die Abkürzung ESG bei den einzelnen ETFs bedeutet.

ESG-Strategien mit unterschiedlicher Gewichtung

Was bedeutet ESG für die ETF-Gewichtung

Bisher war immer die Rede von hopp oder top. Eine Firma ist im ETF enthalten oder eben nicht, wird aber in jedem Fall nach Marktkapitalisierung gewichtet, so wie im Mutterindex.

Es gibt allerdings auch Ansätze, in denen Firmen mit schlechterer ESG-Bewertung einfach niedriger gewichtet werden anstatt gleich rauszufliegen. Ein Beispiel ist hierfür der MSCI World ESG Universal Select, der ca. 95 % der Unternehmen des MSCI World enthält, diese aber in abweichenden Anteilen.

Das macht das Ganze natürlich nicht übersichtlicher. Viele Aspekte spielen eine Rolle und man kommt nicht drum herum, einen Blick in das eine oder andere Factsheet der ETFs zu werfen. Dort wird die Nachhaltigkeitsstrategie des zugrundeliegenden Index kurz beschrieben. Wer es ganz genau wissen will, wird bei den Regelwerken der Indizes fündig. Diese gibt es allerdings meist nur auf Englisch. Sie werden als „Index Methodology“ (bei MSCI) oder auch „Index Guideline“ (bei Solaractive) bezeichnet.

Die Vorteile von ETFs mit ESG-Strategie

Auf den ersten Blick mag die Vielzahl der Strategien und ETFs verwirrend wirken. Aber auf ETFs und nicht auf Einzelaktien zu setzen, hat in punkto Nachhaltigkeit entscheidende Vorteile. Die folgende Grafik zeigt, wie unterschiedlich die Situation für beide Investortypen ist.

Entscheidungsprozess bei nachhaltigen Investments
Entscheidungsprozess bei nachhaltigen Investments

Duzende oder gar hunderte Unternehmen auf ihre Nachhaltigkeit hin zu analysieren wäre eine Mammutaufgabe. Dieser Job wird einem bei nachhaltigen ETFs vom Indexanbieter abgenommen. Da ich breit diversifiziert sein möchte, müsste ich bei Einzelaktien unzählige Stunden in die Analyse der Unternehmen investieren; neben Geschäftsberichten auch noch Nachhaltigkeitsberichte lesen. Für mich wäre das jenseits meiner zeitlichen Möglichkeiten.

Das konkrete ESG-Rating wird in der Regel sogar nicht mal vom Indexanbieter selbst sondern von darauf spezialisierten Rating-Agenturen wie z. B. Sustainalytics erarbeitet. Diese haben eine deutlich bessere Datenlage als jeder Otto-Normal-Verbraucher. Sie haben bessere Quellen und fordern Firmen auch ganz direkt auf, ihnen Auskunft über ihre Geschäftspraktiken zu geben (Hier ein Beispiel für so einen Fragebogen).

ESG bei ETFs bedeutet also, dass wir den Luxus haben, das Ergebnis einer umfangreichen Nachhaltigkeitsanalyse zu kaufen. Zugegeben gehe ich etwas blind davon aus, dass die Auswahlkriterien gewissenhaft umgesetzt werden. Aber die Finanzbranche ist hoch reguliert und was bleibt mir auch anderes übrig (Due Diligence heißt hier das Zauberwort). Ich kann allerdings auch verstehen, dass das für manche ein Kritikpunkt ist.

Fazit

ESG-Kriterien sind der Dreh- und Angelpunkt bei der Konstruktion nachhaltiger Indexfonds. Der Käufer solch eines ETFs wählt keine Unternehmen sondern eine vom Indexanbieter festgelegte Nachhaltigkeitsstrategie. Das hat Vor- und Nachteile.

Nachteile:

  • Die Beurteilung der ESG-Kriterien ist bei den Anbietern nicht gleich
  • Teils unübersichtliche Präsentation der Investmentprodukte
  • Keine 100%ige Transparenz bzgl. der eingesetzten ESG-Strategie
  • Keine individuelle Anpassung der Produkte an die eigenen Ansprüche möglich

Vorteile:

  • Keine eigenständige Analyse von Unternehmen nötig.
  • Rating-Agenturen und Indexanbieter besitzen mehr und bessere Daten als Privatpersonen.
  • Rating-Agenturen und Indexanbieter können die Daten intensiver prüfen.
  • Die Auswahl der Unternehmen wird regelmäßig neu geprüft und ggf. angepasst.

Die meisten Nachteile können meiner Meinung nach durch eine vernünftige Recherche aus der Welt geschafft werden. Für mich überwiegen die Vorteile und ich finde es immer wieder schade, wenn sich jemand von den anfänglichen Stolpersteinen abschrecken lassen. Natürlich gibt es noch andere Aspekte wie die Diversifikation und die Kosten zu beachten, aber das ist Thema eines anderen Beitrags.

ETFs mit ESG-Strategie bieten einem eine einfache Möglichkeit, sich mehr Nachhaltigkeit ins Portfolio zu holen, und das muss weder Renditeverlust oder mehr Gebühren bedeuten. DAS nachhaltige Portfolio gibt es nicht, davon sollte man sich frei machen, denn es ist illusorisch zu glauben, dass ein ETF die eigenen Moralvorstellungen und Investmentziele zu Hundertprozent widerspiegelt. Damit kann ich leben.

Immer noch besser als sich selbst durch hunderte von Geschäfts- oder Nachhaltigkeitsberichte zu wühlen. Und der MSCI World kommt mir auch nicht mehr ins Haus. Da ist einfach zu viel drin, mit dem ich nicht einverstanden bin.

Was ich am Ende nicht unerwähnt lassen möchte ist, dass nicht nur die Abkürzung ESG bei ETFs bedeutet, dass sie nachhaltig ist. Es gibt noch weitere Abkürzungen und Kennzeichnungen und wer mehr dazu wissen möchte, kann gerne diesen Beitrag lesen.

Nachhaltige Grüße

Nachhaltige Grüße
Christian Kontakt

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