Schwellenländer machen die Hälfte der Weltwirtschaft aus, Tendenz steigend. In Sachen politische und rechtliche Stabilität ist es aber noch ein weiter Weg. Anleger fragen sich deshalb, wie sinnvoll ist es, einen Emerging Markets ETF ins Portfolio aufzunehmen?
In diesem Beitrag erkläre ich, wo die Chancen und Risiken von Schwellenländerinvestments liegen, und beantworte die Frage, welche Portfoliogewichtung für einen Emerging Markets ETF sinnvoll sein könnte.
Das Wichtige in Kürze:
Sind Investments in die Emerging Markets sinnvoll?
Die Europäische Kommission schätzt, dass bis 2030 eine Milliarde weitere Menschen in die globale Mittelschicht aufsteigen werden, 88% davon leben in Asien. Ein unglaubliches Marktpotential, das sich Unternehmen weltweit unter den Nagel reißen wollen. Das ist aber nicht so einfach.
Einheimische Firmen verstehen ihre Kunden besser.
Gerade im Konsumbereich sind die Chancen hoch, dass lokale Unternehmen dominieren. Sie blicken auf organisches Wachstum zurück, die Kunden kennen sie und sie sind an ihre Produkte gewöhnt. Die Emerging Markets sind eine Herausforderung für westliche Firmen.
Das ist aber nicht der einzige Grund, warum Unternehmen aus den Schwellenländern großes Wachstumspotential haben.
Hightech aus aufstrebenden Märkten
Der größte Chiphersteller der Welt kommt aus Taiwan. Das Silicon Valley von Morgen liegt in Indien und Chinas Techgiganten revolutionieren die KI-Forschung. Technologische Durchbrüche sind nicht mehr dem Westen vorbehalten.
Dass Schwellenländer Wachstumsmotoren sind, ist bekannt. Aber im Bereich Hightech hat sich das erst in den letzten Jahren manifestiert. Ein Trend, der sich noch verstärken wird.

In Chinas Hightech-Metropole Shenzhen werden jeden Monat 20.000 Startups gegründet. Eine unvorstellbare Zahl.
Niemand weiß, ob und welche Schwellenländer die bisherigen Industriestaaten überholen werden. Vielversprechende Länder wie Südafrika und Brasilien sind in der sogenannten „Middle Income Trap“ hängen geblieben. Das ist aber kein Grund, auf Emerging Markets ETFs zu verzichten.
Das würde nämlich bedeuten, dass du dir sicher bist, die Zukunft gehört dem Westen. Eine gewagte Prognose.
Middle Income Trap
Niedrige Lohnkosten begünstigen den Aufstieg von Schwellen- und Entwicklungsländer als Produktionsstädten der Welt. Steigen die Löhne, müssen neue Wirtschaftszeige erschlossen werden. Kann das Land nicht mit der wissenschaftlichen und technischen Innovationskraft von Industrienationen mithalten, stagniert seine Entwicklung fortan.
Sind Emerging Markets ETFs sinnvoll?
Die beste Möglichkeit, sich Schwellenländer ins Depot zu holen, sind Emerging Markets ETFs. Selbst Profis greifen darauf zurück, obwohl sie westliche Firmen als Einzelaktien kaufen.
Wer kann Geschäftsberichte auf Chinesisch lesen, Indische Bilanzierungsmethoden verstehen und Saudi-Arabische Firmenkonstrukte durchschauen?
Mit ETFs wie dem MSCI Emerging Markets streust du bequem auf über Tausend Einzelwerte, die auf der ganzen Welt verteilt sind.
Einzelaktienschicksale bleiben dir erspart.
Ein gutes Negativbeispiel ist Alibaba. 2020 war der Onlinehändler noch ein gehypter Pandemiegewinner, 2021 erwischte ihn die Regulierungswut der chinesischen Regierung.
Entwicklung der Alibaba-Aktie 2019-2021

ETF-Investoren können ruhig schlafen und Kurseinbrüche zum Nachkaufen nutzen. Langfristig liefern Schwellenländer nämlich eine attraktive Rendite.
Daten | Industriestaaten | Emerging Markets |
MSCI Total Return Index 1988 bis 2019* | 7,8% pro Jahr | 10,6% pro Jahr |
Inflationsbereinigte Rendite MSCI World und MSCI EM von 1988 bis 2016 ** | 6,2% pro Jahr | 9,2% pro Jahr |
S&P 500 vs. Schwellenländeraktien 2001 bis 2020*** | 7,5% pro Jahr | 9,9% pro Jahr |
MSCI World vs. MSCI Emerging Markets 1987 bis 2021**** | 8,9% pro Jahr | 10,8% pro Jahr |
Quellen: * Finanzen-erklaert.de; ** Souverän investieren mit Indexfonds und ETF von Gerd Kommer; *** JPMorgan’s Guide to the Markets, 2021; **** Eigene Berechnungen.
Je nach betrachteter Periode unterscheiden sich die Werte. Das hängt auch davon ab, ob man die Inflation mit einberechnet oder nicht. Eines ist aber bei allen Angaben gleich: die Emerging Markets liefern höhere Durchschnittsrenditen als die Industrienationen.
Wie sie in den nächsten Jahren performen, weiß kein Mensch.
Es gibt immer wieder Perioden, in denen die Schwellenländer schlechter laufen. Amerikanische und europäische Unternehmen lagen 2018 und 2019 vorne. Schwellenländer haben 2017 mit +37,8% alles hinter sich gelassen.
Quelle: Novel Investor
Dass sich Vermögenswerte in ihrer Performance abwechseln, ist normal und positiv. Geschickte Investoren nutzen diese Schwankungen, um ihr Rendite-Risiko-Profil zu verbessern.
Diversifikation fürs Portfolio
Emerging Markets ETFs weisen eine erfreuliche niedrige Korrelation zu Industriestaaten-ETFs auf. Das bedeutet, dass sich ihre Schwankungen gegenseitig ausgleichen können.
Eine Beimischung stabilisiert das Portfolio.
Emerging Markets ETFs sind also sowohl realwirtschaftlich als auch aus Sicht der Portfoliotheorie eine sinnvolle Bereicherung deines Portfolios. Auch wenn sie risikoreicher sind als die Industriestaaten.
Die 7 häufigsten ETF-Fehler
( und wie du sie vermeidest )
Echte Fälle aus dem wirklichen Leben. Inspiriert durch Freunde, Familie und die ETF4Good-Community.
Risiken von Emerging Markets Investments
Emerging Markets ETFs werden stärker schwanken. Da kommt man nicht drum herum. Schließlich bekommt man Rendite für eingegangene Risiken.
- Politische Unsicherheiten (Umbrüche, Kriege, Krisen)
- Instabilität der Währung
- Regulatorische Risiken
- Verstaatlichung von Unternehmen und Enteignung von Investoren
- Mangelnde Transparenz, z. B. bei der Bilanzierung
Diese Risiken manifestieren sich ab und an. In der Finanzkrise 2008 brach der MSCI Emerging Markets beispielsweise um 65% ein, während der MSCI World mit „nur“ 57% Verlust weniger stark betroffen war.
Historische Entwicklung

Auch Corona hat viele Schwellenländer deutlich stärker getroffen, Chinas Wirtschaft schlug sich hingegen passabel. Es kann also von Land zu Land unterschiedlich sein. Auf lange Sicht ist aber selbst eine Pandemie nur ein Faktor von vielen.
Nimm eine langfristige Perspektive ein.
Auch westliche Länder kämpfen mit politischer Stabilität. Firmen kommen und gehen. Wie die Welt in 20 Jahren aussehen wird, weiß niemand.
Das einzig hilfreiche Werkzeug in Anbetracht einer unsicheren Zukunft ist eine vernünftige Diversifikation. Das setzt eine durchdachte Gewichtung voraus.
Sinnvolle Gewichtung für Emerging Markets ETFs

Ein möglicher Ansatz ist die Gewichtung nach Marktkapitalisierung. Dies ist zum Beispiel im MSCI All Country World der Fall. Allerdings bedeutet das, dass die Gewichtung der Schwellenländer (aktuell) nur bei 13% liegt.
Das liegt daran, dass in Schwellenländern weniger Unternehmen an die Börse gehen und zum Teil nicht alle Anteile frei handelbar sind (kleinerer Streubesitzanteil).
Eine Alternative ist die Gewichtung nach Bruttoinlandsprodukt (BIP). Hier würden die Schwellenländer ca. 40% ausmachen. Ihre „relative wirtschaftliche Bedeutung wäre so besser repräsentiert“, schreibt zum Beispiel Morgan Stanley.
… since this should roughly capture a country’s “relative economic importance”.
Dieses Argument finde ich allerdings schwach.
Die wirtschaftliche Bedeutung einzelner Firmen ist dadurch nämlich überrepräsentiert. Der taiwanesische Chiphersteller TSMC wäre aktuell mit knapp 3% die größte Position im Portfolio, obwohl das Unternehmen nur ein Zehntel von Apples Wert hat.
Risikoorientierte Gewichtung
Mein persönlicher Ansatz ist die Einteilung in Risikotöpfe. Ich ignoriere Marktkapitalisierung und BIP und sehe die ETFs als (in sich) gut diversifizierte Aktienkörbe. Der Emerging Markets ETF mit etwas höherem Risiko und der World mit etwas weniger.
Welche Gewichtung du für den Emerging Markets ETF für sinnvoll hältst, hängt dann einzig und allein von deinem Risikoappetit ab.
Solange du in einem Bereich zwischen 15% und 50% bleibst, sind beide „Teile der Welt“ ausreichend repräsentiert. Ein fixer Wert ist übrigens ideal fürs Rebalancing. So profitiert dein Portfolio vom Diversifikationseffekt.
Je länger der Zeithorizont, desto mehr Emerging Markets sind denkbar.
Mehr als 50% fände ich zu risikoreich (Amerika und Europa sind nach wie vor stabiler). Unter 10% Emerging Markets macht hingegen wenig Sinn. Die typischen Gewichtungen von 25-35% sind eine recht gute Balance aus Chance und Risiko.
Morgan Stanley sieht die ideale Gewichtung übrigens bei mindestens 27%. Deren Methodik basiert auf einer Mean-Variance-Kalkulation, die auf dem Verhältnis von Schwankungen zu Renditen basiert.

Bist du der Meinung, dass der Emerging Markets Anteil von der Marktkapitalisierung oder dem BIP abhängen sollte? Oder kannst du meiner Sichtweise etwas abgewinnen? Schreib mir gerne!
Alternativen zu einem MSCI Emerging Markets ETF
Ein MSCI Emerging Markets ETF ist nicht die einzige Möglichkeit, passiv in die Schwellenländer zu investieren. Erfahre hier, welche Konkurrenzprodukte eine interessante Alternative sind.
Vanguard FTSE Emerging Markets ETF
ISIN: IE00B3VVMM84 – TER: 0,22% p. a.
Der Schwellenländer-ETF von Vanguard enthält knapp 1900 Aktien und damit ca. 400 mehr als der MSCI Emerging Markets ETFs. Die Marktabdeckung liegt bei 90% und ist damit 5% höher als bei MSCI. Der Unterschied geht ausnahmslos auf kleine Firmen zurück.
Ein wichtiger Unterschied ist, dass Südkorea zu den Industrienationen gezählt wird und im Vanguard Emerging Markets ETF nicht enthalten ist. Bei der Kombination von World und Emerging Markets würde ich deshalb immer auf den gleichen Anbieter zurückgreifen. Sonst fehlt dir ein Land oder du hast eines doppelt.
iShares Core MSCI EM IMI UCITS ETF
ISIN: IE00BKM4GZ66 – TER: 0,18% p. a.
Wer an Small Caps interessiert ist (kleinen Unternehmen), kann die IMI-Variante von MSCI nehmen. Diese enthält noch einmal mehr Firmen als der Vanguard-ETF. Es sind über 3000, die zusammen 99% des Schwellenländermarktes abdecken.
Amundi Prime Emerging Markets ETF
ISIN: LU2300295123 – TER: 0,10% p. a.
Dieses Konkurrenzprodukt von Amundi basiert auf einem Index von Solactive und ist dem MSCI Emerging Markets sehr ähnlich. Lass dich nicht davon verwirren, dass Hongkong mit fast 30% die größte Position ist, während China nur wenige Prozent ausmacht.
Die Unternehmen sind die gleichen. Warum sie einmal Hongkong und einmal China zugeordnet sind, konnte ich nicht rausfinden. Wie auch in den anderen ETFs sind sie nach Marktkapitalisierung gewichtet. Leider ist das ETF-Volumen noch recht klein.
MSCI Emerging Markets Ex China ETF
ISIN: LU2009202107 – TER: 0,15% p. a.
Wer China ausklammern möchte, kann diese Variante wählen. Dafür gibt es zwei Gründe: Entweder du möchtest ganz auf China verzichten oder du möchtest China separat in deinem Depot haben.
Auch wenn es Gründe gibt, China skeptisch gegenüber zu stehen, sehe ich darin ein Risiko. China ist eine aufstrebende Weltmacht, deren Wirtschaft eine große Rolle spielen wird.
Wer ethische Kriterien bei seiner Geldanlage berücksichtigen möchte, könnte sich alternativ einen nachhaltigen ETF aussuchen.
MSCI Emerging Markets Socially Responsible ETF
ISIN: LU1048313891 – TER: 0,27% p. a.
Bei dieser nachhaltigen Variante werden Unternehmen durch mehrere Filterkriterien sortiert. Unternehmen aus kontroversen Branchen wie der Waffen- oder Tabakindustrie fliegen aus dem Index. Genauso wie Unternehmen, die ein schlechtes ESG-Rating haben.
Berücksichtigt werden Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Wie das funktioniert, erfährst du in diesem Beitrag.
Fazit
Wie ganz allgemein bei Investments ist bei Emerging Markets ETFs der Anlagehorizont entscheidend. Das etwas höhere Risiko kann zwischenzeitlich zu schlechter Performance führen, sollte sich aber langfristig positiv auf die Rendite auswirken.
Der Diversifikationseffekt stabilisiert das Portfolio.
Ich persönlich würde mich unwohl fühlen, wenn ich die Hälfte der Welt aus meinem Portfolio außen vorlasse. Das wird jeder nachvollziehen können, der schon mal in einem dieser Länder unterwegs war.
Sei geduldig und lasse deine Sparpläne in Schwächephasen weiterlaufen. So kaufst du günstig nach und wirst beim nächsten Anstieg der Emerging Markets umso mehr belohnt.