Nur noch arbeiten, wenn man möchte? Wer genug Zeit für Hobbys, Sport und Familie haben will, sollte einen Blick auf die 4-Prozent-Regel werfen. Mit dieser wissenschaftlich fundierten Faustformel kannst du ausrechnen, wie viel passive Einkünfte du von einem investierten Vermögen erwarten kannst.
Dieser Beitrag hilft dir, eine konkrete Summe zu berechnen, mit der du dich sorglos in den Vorruhestand verabschieden kannst. Ein tolles Ziel, um darauf hinzuarbeiten!
Das Wichtige in Kürze:
So funktioniert die 4-Prozent-Regel
Nehmen wir an, du hast ein Vermögen von 150.000€. Investierst du diese Summe breit gestreut an der Börse, kannst du dir jedes Jahr 4% davon auszahlen lassen. Das entspricht ca. 6.000€, bzw. 500€ pro Monat.
Statt mit 4% zu rechnen, kannst du auch durch 25 teilen.
Diese Erkenntnis stammt aus einer Studie von William Bengen aus dem Jahr 1994. Größere Bekanntheit erlangte das Thema vier Jahre später durch die sogenannte Trinity-Studie, die 2011 noch einmal aktualisiert wurde.
Grundannahmen:
- Eine Rentendauer von max. 30 Jahren.
- Basiert auf US-Börsendaten von 1926 bis 2009.
- Aktienquote von mindestens 50%.
Wer einen ausreichend hohen Aktienanteil im Depot hat, kann mit annähernd 100%-iger Wahrscheinlichkeit 30 Jahre lang von seinem Vermögen leben. Das ist beeindruckend, denn der betrachtete Zeitraum umfasst die große Depression 1929, den Zweiten Weltkrieg und unzählige weitere Börsenkrisen.
Erfolgswahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Inflation
Entnahmerate | 3% | 4% | 5% | 6% | 7% | 8% |
100% Aktien | ||||||
15 Jahre | 100% | 100% | 100% | 94% | 86% | 76% |
20 Jahre | 100% | 100% | 92% | 80% | 72% | 65% |
25 Jahre | 100% | 100% | 88% | 75% | 63% | 50% |
30 Jahre | 100% | 98% | 80% | 62% | 55% | 44% |
75% Aktien, 25% Anleihen | ||||||
15 Jahre | 100% | 100% | 100% | 97% | 87% | 77% |
20 Jahre | 100% | 100% | 95% | 80% | 72% | 60% |
25 Jahre | 100% | 100% | 87% | 70% | 58% | 42% |
30 Jahre | 100% | 100% | 82% | 60% | 45% | 35% |
50% Aktien, 50% Anleihen | ||||||
15 Jahre | 100% | 100% | 100% | 99% | 84% | 71% |
20 Jahre | 100% | 100% | 94% | 80% | 63% | 43% |
25 Jahre | 100% | 100% | 83% | 60% | 42% | 23% |
30 Jahre | 100% | 96% | 67% | 51% | 22% | 9% |
Datenquelle: Trinity-Studie 2011
Wie du siehst, haben auch deutlich höhere Entnahmeraten noch Erfolgsquoten von 70-80%. Das ist aber zu unsicher. Selbst 90% sind für eine solide Altersvorsorge fragwürdig. Deshalb empfiehlt die Studie 4% als sichere Entnahmerate.
Warum sind es „nur“ 4 Prozent?
Der globale Aktienmarkt hat in den letzten 100 Jahren ca. 8% Rendite pro Jahr gemacht, in den USA sogar noch mehr. Müsste man da nicht mehr entnehmen können?
Die Studie findet tatsächlich, dass nominell Entnahmeraten von 6-7% möglich sind.
Allerdings vergessen viele die Inflation.
Berücksichtigt man den Kaufkraftverlust der Währung, sinkt die Entnahmerate deutlich ab. Durch die Geldentwertung muss man jedes Jahr mehr ausgeben, um seinen Lebensstandard zu halten. Das ist in der 4-Prozent-Regel berücksichtigt.
Kommentar zur Anleihenquote
Anleihen brachten in den letzten 100 Jahre deutlich höhere Zinsen als heute. In Crashphasen liefen sie teils gegenläufig zu Aktien und federten nicht nur das Risiko ab, sondern verbesserten aktiv die Gesamtrendite.
Ob man heute mit 50% Anleihen genauso gut fährt, bezweifle ich.
Ein hoher Aktienanteil ist heute pflicht. Das ist aber nicht weiter schlimm. Wer auf ETFs setzt, kann mit nur einem Produkt in den gesamten Aktienmarkt investieren. Wer so breit streut, bekommt top Renditen zu überschaubaren Risiken.
ETFs sind und bleiben der sicherste Weg in die finanzielle Unabhängigkeit.
Warum das so ist, erkläre ich in meinen ETF-Artikel für Einsteiger.
Die 4-Prozent-Regel in Deutschland
In den USA genießen Anleger attraktive Bedingungen fürs Aktiensparen. Von steuerbegünstigten Ruhestandsdepots können wir in Deutschland nur träumen. Aktuell werden bei uns ca. 26% Kapitalertragssteuer fällig.
Das macht aus der 4-Prozent-Regel eine 3-Prozent-Regel.
Wie das in der Zukunft aussieht, weiß man nicht. Aber aktuell muss man damit rechnen. Auch wenn das die Sache unattraktiver macht.
Monatliches Einkommen aus deinem Kapital
Angelegte Summe | Ausschüttung pro Jahr (4%) | Nach Steuern (ohne Kirchensteuer) | Passives Einkommen pro Monat |
40.750 € | 1.630 € | 1.200 € | 100 € |
81.500 € | 3.260 € | 2.400 € | 200 € |
163.000 € | 6.520 € | 4.800 € | 400 € |
326.000 € | 13.040 € | 9.601 € | 800 € |
489.000 € | 19.560 € | 14.401 € | 1.200 € |
652.000 € | 26.080 € | 19.201 € | 1.600 € |
815.000 € | 32.600 € | 24.002 € | 2.000 € |
978.000 € | 39.120 € | 28.802 € | 2.400 € |
1.141.000 € | 45.640 € | 33.602 € | 2.800 € |
1.304.000 € | 52.160 € | 38.403 € | 3.200 € |
1.467.000 € | 58.680 € | 43.203 € | 3.600 € |
Für brauchbare Nettoeinkünfte benötigst du ein ordentliches Vermögen. Das ist die Realität und wenn man dir anderes verspricht, solltest du vorsichtig sein. Natürlich gibt es Investments mit höheren Renditen. Aber die haben auch ein höheres Risiko.
Lass dich nicht von spekulativen Anlagegeschäften verführen.
Ein langer Anlagehorizont mag in der Aufbauphase mehr Risiko erlauben, aber im Alter sieht die Sache anders aus.
Die Einkünfte müssen verlässlich sein. Genau darum geht ja in der Trinity-Studie: Welche Rendite kann man erwarten, wenn man die Schwankungen miteinbezieht? Bei der Altersvorsorge gibt es leider keine Abkürzung.
Die 7 häufigsten ETF-Fehler
( und wie du sie vermeidest )
Echte Fälle aus dem wirklichen Leben. Inspiriert durch Freunde, Familie und die ETF4Good-Community.
Kritik an der 4-Prozent-Regel

Viele finden die Trinity-Studie zu optimistisch. Sie basiert auf der Wertentwicklung des US-Aktienmarktes, begrenzt die Rentendauer auf 30 Jahre und ist anfällig für Börsencrashs in den ersten Entnahmejahren.
Experten mahnen an, bei der Altersvorsorge konservativ zu rechnen.
Globaler Aktienmarkt vs. US-Aktienmarkt
Die Renditen von US-Firmen waren in den letzten 100 Jahren nominell mindestens 1% höher als im weltweiten Durchschnitt. Die Rechnung der Trinity-Studie wäre nur in Amerika aufgegangen.
Ob sich US-Aktien weiterhin so stark entwickeln, weiß kein Mensch.
Nicht umsonst wird empfohlen, weltweit gestreut anzulegen. Das senkt das regionale Risiko und stabilisiert das Portfolio. Das würde allerdings bedeuten, dass man mit weniger als 4% rechnen muss.
Langlebigkeitsrisiko
Die Trinity-Studie geht von einer fixen Periode von 30 Jahren aus. Betrachtet man längere Zeiträume, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass einem das Geld ausgeht. Zugegeben, wer mit 67 in Rente geht, könnte 97 Jahre alt werden.
Aber 100-Jährige werden im 21. Jahrhundert keine Seltenheit mehr sein.
Außerdem wollen viele schon mit 40 oder 50 in Rente gehen.
Ein Spiel mit dem Feuer!
Lebt man länger als geplant, lebt man seine letzten Jahre in Armut. Mit 103 Jahren noch einen Nebenjob anzunehmen, wird vermutlich schwierig werden.
Psychologische Belastung
Viele auf dem Papier erfolgreiche Szenarien waren real eine echte Nervenprobe. Das Kapital war am Ende fast oder vollständig aufgebraucht.
Erwischt dich zu Anfang ein Börsencrash, kann das bedeuten, dass du den Rest deines Lebens in Unsicherheit lebst. Nicht unbedingt das, was man sich unter einem entspannten Ruhestand vorstellt. Ob das Geld dann am Ende tatsächlich reicht oder nicht, ist da fast nebensächlich.
Warum die 4-Prozent-Regel trotzdem funktioniert

Ich rechne als Basis mit 4% und ich möchte dir erklären, warum. Börsencrashs sind zwar heftige Rückschläge, aber wer sagt denn, dass du in diesen Jahren weiter 4% entnehmen musst?
Flexible Konsumgestaltung heißt das Zauberwort.
Wenn du dir ausrechnest, wie viel Geld du jeden Monat brauchst, wirst du dir mehr als die Grundversorgung gönnen. Neben Miete, Essen und Strom wird ein Teil deines Budgets für Reisen, Restaurantbesuche und sonstige Annehmlichkeiten reserviert sein.
Wenn es hart auf hart kommt, kannst du darauf verzichten.
Sobald sich die Aktienkurse erholen, kannst du wieder mehr ausgeben. Auf diese Art ergibt sich ein natürlicher Puffer, der dir mehr Sicherheit bei der Anwendung der 4-Prozent-Regel gibt.
Ich persönlich veranschlage max. 70% der monatlichen Einkünfte für die Fixkosten.
Aber es gibt auch andere Modelle. Der Vermögensverwalter Vanguard hat eine interessante Studie gemacht, welche Möglichkeiten du hast, deine Ausgaben an turbulente Marktphasen anzupassen.
Notfalls einen Nebenjob
Kursverluste sind vor allem in den ersten Jahren schlimm. Diese Fälle sind für den Großteil der gescheiterten Szenarien verantwortlich.
Das trifft sich gut!
Wer gerade erst aufgehört hat zu arbeiten, kann im Notfall wieder einsteigen. Alternativ suchst du dir einen spannenden Teilzeitjob in einem völlig anderen Gebiet. Irgendwas wird sich schon finden. Du bist noch jung und es ist ja nur das Worst-Case-Szenario.
4-Prozent-Regel-Rechner
Vergiss nicht, dass die 4-Prozent-Regel nur eine Daumenregel ist. Wenn es soweit ist, solltest du dich definitiv professionell beraten lassen. Am besten von mehreren unabhängigen Beratern!
(Die Hintergründe für den dynamischen Puffer erkläre ich im nächsten Kapitel.)
Hier sei noch angemerkt, dass du bei der Umsetzung im Alter deine Rentenansprüche mit berücksichtigen musst (ab 67). Sie senken genauso wie ein Eigenheim oder weitere Einkommensströme den Kapitalbedarf. Das macht die Rechnung komplizierter.
Noch mehr Zahlen und Motivation findest du in diesen Artikeln:
Frührente extrem – das ist zu beachten

Je früher du aussteigst, desto riskanter der Plan. Wer 40, 50 oder gar 60 Jahre von seinem Kapital leben will, muss konservativ rechnen.
Modellierungen der Seite Earlyretirementnow.com haben gezeigt, dass du bei einer sehr langen Rentendauer besser mit 3,5% rechnest. Andernfalls lebst du mit hohem Restrisiko.
Das ist aber nicht der einzige Punkt, den du bedenken solltest.
Humankapital und Zinseszinseffekt
Dein Gehalt steigt im Laufe deiner Karriere an. Den Peak erreichst du vermutlich in deinen 50ern. Kündigst du davor, verzichtest du auf einen signifikanten Teil deiner Lebenseinkünfte.
Außerdem würgst du den Zinseszinseffekt ab.
Der entfaltet sich erst bei längerer Anlagedauer so richtig gut. Verkürzt du die Zeit, wird der Vermögensaufbau zur Herkulesaufgabe.
Hohe Kosten im Alter
Ein weiterer Risikofaktor sind steigende Versorgungskosten. Wer weiß schon, wie gesund er in seinen späten Lebensjahrzehnten sein wird?
Baut deine Gesundheit ab, steigen Arzt- und Betreuungskosten. Essensservice und Taxirechnungen geben deinem Budget den Rest. Das ignorieren viele, wenn sie in jungen Jahre den Vorruhestand planen.
Das größte Problem ist die Pflege.
Selbst für Menschen, die bis zur Rente gearbeitet haben, ist die Pflege eine finanzielle Herausforderung. Die Pflegeversicherung deckt längst nicht alles ab. Schon gar nicht, wenn du 10 oder 20 Jahre weniger eingezahlt hast.
Risiko eines teuren Notfalls
Unangenehme Zusatzbelastungen können auch schon früher auf dich zukommen. Eine überraschende Reparatur am Eigenheim, ein medizinischer Notfall oder eine kostspielige Fehlentscheidung, jeder Menschen erlebt finanzielle Rückschläge.
Stehst du im Beruf, verkraftest du das besser.
Man kann sich nicht vor allen Eventualitäten schützen und Versicherungen gibt es auch noch. Aber möchtest du dir vorwerfen, dass das alles kein Problem gewesen wäre, wenn du nur ein paar Jahre länger gearbeitet hättest?
Mein Rat an die FIRE-Bewegung

Wer in jungen Jahren ans Aufhören denkt, hat in der Regel folgendes Problem: Der Job ist furchtbar oder er nimmt zu viel Zeit und Energie in Anspruch.
Das will ich nicht kleinreden.
Aber was nützt es dir, Mitte dreißig den Vorruhestand zu planen, wenn du sowieso erst mal weiterarbeiten musst?
Selbst mit frugaler Lebensweise und hohem Gehalt dauert es viele Jahre, ehe du annähernd genug Kapital hast, um dich mit überschaubarem Risiko in den Ruhestand zu verabschieden.
FIRE-Bewegung
FIRE steht für Financial Independence Retire Early. Die FIRE-Community hat ihren Ursprung in den USA und setzt auf eine frugale Lebensweise und diszipliniertes Investieren. Ziel ist es, möglichst früh nicht mehr arbeiten zu müssen, um sich mit dem zu beschäftigen, was einen wirklich erfüllt.
Empfehlung Nr. 1: Lebe im Hier und Jetzt
Versuche einen Job zu finden, der dir besser gefällt und dich weniger beansprucht. Verzichte vielleicht sogar auf Gehalt. Wenn du dich auf dieses viel greifbarere Ziel fokussierst und nicht mit Mitte 30 oder 40 ans Aufhören denkst, wirst du mittelfristig deutlich glücklicher werden.
Ist Zeitmangel dein Hauptproblem, experimentiere mit verkürzten Arbeitszeitmodellen. Ziehe einen Umzug in Erwägung, wenn dein Arbeitsweg zu lang ist. Sei kreativ! Das meiste wird weniger Kraft und Entbehrung erfordern, als in 10-15 Jahren finanziell frei zu werden.
Empfehlung Nr. 2: Optionen erarbeiten
Arbeite nicht auf den Frühruhestand hin. Setze dir als Ziel, nicht mehr wirklich arbeiten zu müssen, es aber trotzdem zu tun. Fühle dich finanziell frei!
Wenn du laut 4-Prozent-Regel finanziell unabhängig bist, kannst du größere Risiken eingehen und dich beruflich neu erfinden.
Du musst ja nicht gleich ganz aufhören zu arbeiten, du kannst einfach wählerischer werden, in dem was du tust und wie du dein Leben verbringst.
Mr. Money Mustache, Ikone der FIRE-Bewegung
Heuer auf einem Schiff an, werde Erntehelfer oder jobbe bei einem Startup. Solange du nicht komplett aufhörst zu arbeiten, verliert jedes Restrisiko der 4-Prozent-Regel seinen Schrecken.
Fazit
Für mich spricht alles dagegen, Jahrzehnte früher in Rente zu gehen. Für mich spricht alles dafür, finanziell unabhängig zu werden, um sein Leben freier gestalten zu können.
Arbeit bedeutet, etwas für andere Menschen zu tun. Seine Talente zu nutzen und etwas zu bewirken. Viele unterschätzen, wie wichtig die Arbeit im Leben ist.
Das liegt an sinnlosen Jobs und Überbelastung.
Nimm die 4-Prozent-Regel als Motivation. Bedenke aber, dass es bei der Rechnung um deine Sicherheit und deinen Lebensstandard geht (und das über Jahrzehnte). Dass man hier etwas konservativer rangehen sollte, liegt auf der Hand.